Extrovertierte und introvertierte, hochsensible Kinder:
So wie jeder normalfühlende Mensch seine eigene Persönlichkeit hat und keiner wie der andere ist, so ist es natürlich auch bei hochsensiblen Menschen. Kein Kind gleicht dem anderen und jedes ist ein ganz unverwechselbares und wertvolles Individuum. Da aber der Großteil der hochsensiblen Menschen eher zu den introvertierten gehört, haben auch wir schon ein typisches Bild im Kopf. So sehen wir Feinfühler als Denker, die erst über alles nachdenken und die Konsequenzen genau im Kopf durchgehen, bevor sie handeln. Auch erleben wir sie oft nicht als sehr gesellig, da sie zu viele Menschen als sehr anstrengend empfinden und lieber beobachten und analysieren als mitten drin zu sein. Dies trifft auch auf ca. 70 Prozent der Hochsensiblen zu. Jedoch gibt es auch hier die extrovertierten unter ihnen. Sie sind geselliger, suchen oft den Kontakt zu anderen Menschen und sind risikobereit.
Da diese oft nicht dem typischen Bild entsprechen, wird gerade bei diesen Kindern die Hochsensibilität oft nicht erkannt. Deswegen möchte ich hier die Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlich machen. Es ist für Dich als Mama oder Papa wichtig, dies bei deinem Kind zu erkennen, denn je nachdem, können eben auch die Bedürfnisse Deines Kindes variieren. So braucht ein introvertiertes Kind beispielsweise nach dem Kindergarten oder der Schule viel Ruhe und wenig soziale Kontakte, um wieder Energie zu tanken, so wäre dies für ein extrovertiertes Kind eine Strafe, denn es braucht soziale Kontakte, um seine Akkus wieder zu laden. So kann es für extrovertierte Kinder tatsächlich richtig wichtig sein, auch im vollgepackten Schulalltag auch noch Freunde zu besuchen oder in einen Verein zu gehen. Wichtig ist es jedoch, die Balance zu finden.
Gemeinsamkeiten:
Egal ob die Kinder intro- oder extrovertiert sind, die Reizoffenheit für bestimmte Reize haben alle hochsensitiven Kinder gemeinsam. In welchen Bereichen sie besonders viel wahrnehmen, variiert natürlich wieder ganz individuell. Dies kann sich auf Hören, Schmecken, Riechen, Fühlen oder Sehen beziehen. Aber auch das intensive Wahrnehmen von Stimmungen und Emotionen von sich selbst, aber auch von anderen ist typisch. Auch wollen diese Kinder große Zusammenhänge verstehen und fragen viel nach dem Sinn.
Durch die starke Reizoffenheit nehmen sie viel mehr aus ihrer Umwelt wahr und sie analysieren sehr viel, ihr Gehirn läuft also ständig auf Hochtouren und sie sind schnell überreizt, was zur schnelleren Ermüdung oder auch zu emotionalen Ausbrüchen führen kann.
Die meisten intro- wie auch extrovertierten Kinder sind auch sehr feinfühlig und empathisch. Viele haben eine tiefe Verbindung zur Natur und Tieren. Außerdem sind sie sehr kreativ und besitzen viel Fantasie.
Mehr zu diesem Thema kannst du HIER lesen.
Unterschiede:
Vor allem im sozialen Bereich unterscheiden sich aber diese beiden Formen der Hochsensibilität. Wie bereits erwähnt, sind introvertierte hochsensible Kinder eher zurückhaltend und gerne auch für sich allein. Ihnen macht es gar nichts aus stundenlang allein zu spielen, sie schöpfen sogar Kraft daraus und laden ihre Akkus wieder auf. Soziale Kontakte könne für sie recht anstrengend werden und vor allem in größeren Gruppen sind sie schnell überreizt.
Extrovertierte Kinder hingegen genießen den Kontakt zu anderen Menschen und suchen diesen auch. Sie schöpfen Kraft und Freude aus Begegnungen mit anderen. Sie sind oft sehr mitteilungsbedürftig. Wohingegen introvertierte Feinfühler vieles in sich hineinfressen und lieber mit sich selbst ausmachen.
Darum haben extrovertierte hochsensible Kinder meistens auch mehr Freunde und fühlen sich in großen Gruppen wohl. Sie haben auch kein Problem im Mittelpunkt zu stehen, ja sie genießen dies sogar. Ganz im Gegenteil zu den introvertierten Kindern. Sie haben oft nur sehr wenige enge Freunde und hassen es, im Mittelpunkt zu stehen.
Ein weiterer großer Unterschied ist auch die Ablenkbarkeit. Haben introvertierte hochsensitive Kinder ein Thema gefunden, das sie interessiert, können sie meistens sehr lange konzentriert daran arbeiten. Extrovertierte lassen sich schneller ablenken, da sie sich auch schneller von äußeren Reizen begeistern lassen.
Entscheidungen treffen fällt den meisten introvertierten Kindern nicht leicht, da sie immer erst alles abwägen müssen. Sie lernen durch Beobachtungen und analysieren viel. Extrovertierte hingegen treffen wesentlich schneller Entscheidungen und lernen durch das Tun.
Die Gefahr:
Da die extrovertierten hochsensiblen Kinder eben oft nicht dem typischen Bild der Hochsensibilität entsprechen, werden sie eben nicht immer als diese erkannt. Des Öfteren bekommen diese Kinder dann den Stempel ADHS aufgedrückt, da es hierzu auch einige Überschneidungen gibt. Mehr zu dem Thema kannst Du HIER lesen.
Da auch extrovertierte Feinfühler sehr viel Reize aus ihrer Umwelt wahrnehmen, kann es auch bei ihnen zu einer Überreizung oder einer plötzlichen Ermüdung kommen. Oft ist dies für Außenstehende dann sehr unerwartet und auch unverständlich. Gerade sind sie noch mitten im Spiel mit anderen und im nächsten Moment sind sie völlig fertig und brauchen eine Pause. Dies liegt eben daran, dass sie trotzdem viele Reize wahrnehmen und meistens noch nicht gelernt haben, sich abzugrenzen oder eigene Bedürfnisse wahrzunehmen.
Deswegen ist es gerade auch bei diesen Kindern so wichtig, ihre Hochsensibilität zu erkennen und achtsam damit umzugehen.
So kannst Du als Elternteil besser auf dein Kind eingehen und kannst eben auch spontane Stimmungsumbrüche besser verstehen.
High Sensation Seeker:
Eine spezielle Ausprägung der Hochsensitivität, die vor allem unter den extrovertierten Kindern zu finden ist, tritt in Form der sogenannten High Sensation Seeker auf. Diese Kinder suchen geradezu nach neuen Reizen. Sie sind bereit, hierfür auch soziale und physische Risiken einzugehen.
Sie können viele Informationen und Reize gleichzeitig verarbeiten, daher wird ihnen auch schnell langweilig. Die Erfahrungen, die sie machen, werden intensiv erlebt und dann schnell abgespeichert, so sind diese schnell uninteressant und neue Reize werden gesucht. Oft fühlen sie sich sogar getrieben danach, obwohl sie eigentlich eine Pause machen sollten. Hier müssen die Eltern besonders achtsam sein und eine gute Balance zwischen neuen Reizen und Ruhephasen schaffen.
Herausforderungen für Eltern:
Die Bedürfnisse von introvertierten und extrovertierten Hochsensiblen sind oft recht unterschiedlich. Will der Introvertierte Rückzug, möchte der Extrovertortierte Gesellschaft. Braucht der Introvertierte Ruhe, so braucht der Extrovertierte Action. Der eine braucht es leise, der andere ruhig… Das kann zu enormen Konflikten führen, vor allem weil in vielen Familien beide Erscheinungsformen vertreten sind. Hier ist es unglaublich wichtig, Verständnis für einander zu haben und zu schauen, wie beide Bedürfnisse, so verschieden sie auch sein mögen, erfüllt werden können. Dabei darfst Du auch kreativ werden. So tragen manche Mütter Gehörschutz, um die ständige Lautstärke ihres quirligen Kindes besser auszuhalten.
Eine weitere Herausforderung ist es, zu erkennen, wann ein extrovertiertes Kind genug hat bzw. wann die Überreizung droht. Denn diese Kinder sind meist mittendrin und genießen es auch sehr ständig in Action und Gesellschaft zu sein. Doch da sie eben genauso reizoffen sind, wie introvertierte Kinder, wird ihr Gehirn eben auch mit diesen Reizen überflutet. Und dann kann es passieren, dass es plötzlich zu einem Zusammenbruch kommt, da das Gehirn nicht mehr in der Lage ist, all die Reize zu verarbeiten und dann quasi völlig überfordert ist. Dies zeigt sich dann durch einen Wutanfall, Aggression oder Weinen. Für Eltern ist es besonders wichtig, hier ein gutes Gespür für die Kinder zu haben und die Anzeichen zu erkennen, um eingreifen zu können, bevor das Kind zusammenbricht. Merkst Du, dass Dein Kind Anzeichen von Überreizung zeigt (es wird hibbelig, aggressiv, tollpatschig, überdreht, weinerlich, extrem laut, schwitzt, wird fahrig…), nimm es aus der Situation und biete ihm die Möglichkeit, seine zu vielen Reize abzubauen. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten. z.B. raus in die Natur, Hörspiel hören, Yoga etc. Wichtig ist, dass es möglichst reizarm ist, damit nicht noch mehr Input in das ohnehin schon überreizte Gehirn kommt. Dein Kind sollte dies aber nicht als Strafe wahrnehmen sondern als sinnvolle Maßnahme, um für sich zu sorgen. Erkläre Deinem Kind also, warum Du das jetzt machst. Auf Dauer wird Dein Kind dann lernen, selbst für sich zu sorgen und solche Situationen zu erkennen.
Fazit:
Nicht alle hochsensiblen Kinder sind gleich und von daher ist es auch nicht leicht eine allgemeine Beschreibung für diese Kinder zu finden. Die ganzen Merkmale von feinfühlenden Kindern sind nur grobe Anhaltspunkte. Wenn Du Dich aber mit diesem Thema auseinandersetzt, wirst Du schnell merken, ob Du Dein Kind in der Hochsensibilität wieder findest. Ich finde es sehr wichtig, das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es nicht das typische hochsensible Kind gibt, sondern auch viele Abstufungen und Unterschiede. Wichtig ist, dass Du Dein Kind in seiner Persönlichkeit erkennst und annimmst, so wie es ist. Wenn Du das Wesen der Hochsensibilität verstehst, fällt es Dir auch leichter auf dein Kind ganz individuell und verständnisvoll einzugehen, egal ob es nun intro- oder extrovertiert ist.
Austausch und Informationen hierzu und zu vielen weiteren Themen rund um hochsensible Familien findest Du in meiner neuen Facebook-Gruppe: Hochsensibel und löwenstark und auf meiner Facebook Seite . Ich freue mich schon, dich hier zu begrüßen.
3 Antworten
Habt ihr gerade mein Kind beschrieben? Vielen vielen Dank für diesen Artikel, den ich gerade nachts um 3 lese, nachdem ich mir nach einer langen und intensiven Einschlafbegleitung den Kopf zerbrochen habe, warum mein Kind so ist wir es ist….
unser sohn ist extrovertiert und bringt uns fast täglich an unsere grenzen . hier zu lesen wie damit umgegangen werden soll , ist teilweise hilfreich . in gewissen situationen , bringt er uns dann aber trotzdem immer wieder auf die palme . da bringt das ganze wissen über das thema nix . ich selbst bin eher introvertiert hochsensibel und werde oft durch sein verhalten getriggert . es fällt uns sehr schwer das positive darin zusehen . nervlich sind wir mittlerweile immer am limit . hilfe von außerhalb gibts praktisch nicht , bzw nimmt keiner einen ernst .
Womit beschäftigt man einen kleinen High Sensation Seeker den lieben Tag über am besten (in einem kleinen Dorf mit menschenleeren Spielplätzen oder im Winter)? Kann man das noch mit 40h/Woche Erwerbstätigkeit verbinden oder sollte man sich längerfristig auf 20h/Woche einstellen?
LG