Wie Du den Alltag mit deinem hochsensiblen Kind entschleunigen kannst und warum das so wichtig ist

Wer kennt es nicht? Die Tage sind vollgestopft mit Dingen, die wir erledigen müssen. Wir hasten von einem Termin zum nächsten und sind abends völlig ausgebrannt. Vor allem weil unser hochsensibles Kind da kaum mithalten kann und immer wieder in Überreizungssituationen kommt. Das bedeutet für das Kind und für uns selbst puren Stress. Deswegen ist es so wichtig, den Alltag an die Bedürfnisse aller Beteiligten anzupassen.

Warum Entschleunigen so wichtig ist und wie es gut gelingt:

Morgens um 6, es klingelt der Wecker. Schnell aufstehen, kurz unter die Dusche hüpfen. Danach das Kind wecken, fertig machen und hoffentlich ohne Theater zur Schule bringen.

Dann mit Höchstgeschwindigkeit zum Arbeitsplatz, denn man will ja nicht, dass der Chef  wieder Ärger macht, weil man zum dritten mal diese Woche zu spät kommt.

Nach der Arbeit wieder in Höchstgeschwindigkeit in Richtung Schule, denn das Kind soll ja nicht schon wieder als letztes abgeholt werden.

Also dann schnell heim, Mittagessen machen, kurz noch Staubsaugen, Wäsche machen und ein paar Rechnungen überweisen. Dem Kind bei den Hausaufgaben helfen. Dann muss man eigentlich schon wieder los, denn das Kind sollte zum Fußballtraining.Aber irgendwie stellt sich das Kind wieder mal an, trödelt rum, meckert und will gar nicht so richtig los. Das passt jetzt aber gar nicht in den Zeitplan, also muss Überzeugungsarbeit geleistet werden und mit einigen Diskussionen geht es dann doch weiter.

Jetzt aber schnell los gedüst, danach noch kurz einkaufen gegangen und wieder heim gefahren, um das Abendessen zu machen.  Irgendwie macht das Kind nicht so richtig mit, ist quängelig und total überdreht.

Nun ist doch noch ein bißchen Zeit zum Spielen mit dem Kind, aber das mag irgendwie gar nicht wirklich außerdem  ist auch schon wieder Zeit fürs Bettchen, also noch kurz Gutenachtgeschichte gelesen und hoffen, dass das Kind gut einschläft, nicht so wie gestern, als es völlig aufgedreht im Bett lag und einfach nicht schlafen wollte.  

Jetzt ist es 21 Uhr und Du liegst völlig fertig auf dem Sofa, willst eigentlich nur noch schlafen aber der Kopf arbeitet immer noch und Du kommst einfach nicht zur Ruhe, denn Du weißt, dass morgen wieder alles von vorne losgehen wird.

So oder so ähnlich läuft es oft im Alltag vieler von uns ab.

Es bleibt kaum Zeit, um eigene Bedürfnisse oder die des Kindes wirklich wahrzunehmen. Was für normal fühlende Menschen schon stressig ist, kann für hochsensible Menschen durchaus zu einer enormen Belastung werden. Auch mir ging es früher so, bis ich erkannte, wie wichtig ein angenehmes Tempo  für das Wohlbefinden der gesamten Familie ist. Ich fing also an, mit kleinen Schritten unseren Alltag stressfreier zu gestalten. Inzwischen profitieren wir alle davon.

Veränderung:

Aber was kann man denn tun um dies zu ändern? Veränderung fängt im Kleinen an, Schritt für Schritt. Es muss nicht immer etwas Großes sein. Kleinere Schritte und ein Umdenken lassen sich leichter umsetzen und sind genau deswegen hilfreicher für den Alltag. Hier möchte ich Dir ein paar ganz einfache praktische Tipps an die Hand geben:

 

 

Früher aufstehen:

Ein ganz einfaches Mittel, um den morgendlichen Stress zu verringern ist es, den Wecker einfach 15-20 Minuten früher zu stellen. Klingt banal, hat aber eine große Wirkung. Denn oft sind morgens auf dem Weg zur Schule und  zur Arbeit schon 5 Minuten entscheidend, ob wir in Stress kommen oder nicht. So kann man auch ruhig bleiben, wenn das Anziehen oder Zähneputzen mal wieder etwas länger dauert. 

 

 

Was ist wirklich wichtig?

Oft ist der Tag verplant mit vielen verschiedenen Terminen. Alles scheint wichtig zu sein. Da ist der Termin beim Friseur, dann muss noch schnell eine neue Hose gekauft werden und danach geht es ins Schwimmtraining. Da wird ein Tag oft ganz schön zum Dauerlauf. Man sollte sich immer wieder hinterfragen,  was an diesem Tag wirklich wichtig ist. Muss der Hosenkauf wirklich heute sein oder reicht das auch noch nächste Woche? Was wäre denn das Problem daran, wenn wir etwas erst später erledigen? Wenn wir anfangen die Prioritäten anders zu setzen, können wir den Tag schon ziemlich entzerren. Und vor allem hochsensible Kinder reagieren äußerst empfindlich auf Stress. Sie brauchen mehr Zeit, um die ganzen Reize zu verarbeiten und um so mehr Reize sie auf einmal ausgeliefert sind, um so schwieriger wird es für sie, damit umzugehen. Deswegen sollten nicht zu viele Programmpunkte auf dem Plan stehen, um eine Überforderung zu vermeiden. Dies kann je nach Kind zu einem emotionalen Ausbruch, totaler Erschöpfung, Schlafproblemen o.Ä. führen. Im schlimmsten Fall verliert das Kind den Bezug zu seinen eigenen Bedürfnissen, da es sich dem strikten Zeitplan anpasst und seine Bedürfnisse unterdrückt, um den Eltern zu gefallen. 

Auch mal nein sagen:

Eine regelmäßige Teilnahme an einem Sport oder anderen Freizeittätigkeit wie Sport etc. kann schon recht wichtig sein und geregelte Strukturen sind für einige hochsensiblen Kinder auch hilfreich, aber es sollte auch mal Ausnahmen von der Regel geben. Wenn wir merken, dass unser Kind momentan unter Druck ist und sich heute mehr hin zwingt als dass es Lust dazu hat, müssen wir Eltern auch mal nein sagen. Nein heute gehen wir nicht! Das kann zum einen viel Druck vom Kind nehmen und es kann ihn dem Moment entspannen. Zum anderen bekommt es das Gefühl, in  seinen Bedürfnissen ernst genommen zu werden. Wenn dem Kind die Aktivität wichtig ist, wird eine Ausnahme kein Abbruch tun, trotzdem regelmäßig wieder dort hinzugehen, wenn es sich danach fühlt, denn so etwas sollte auf keinen Fall in einem Zwang ausarten.

Flexibel denken:

Oft haben wir gut strukturierte und gut gemeinte Pläne für unseren Tagesablauf. Die Realität sieht aber oft ganz anders aus. Gerade mit einem hochsensiblen Kind, ist es wichtig, immer wieder dessen Tagesform anzuschauen. Da hochsensible Kinder die Welt sehr viel intensiver wahrnehmen, sind sie schneller überreizt als andere. Um diese Reize zu verarbeiten brauchen sie Zeit und Ruhe. Gewähren wir ihnen diese, so können sie stressfrei alles verarbeiten und sind dann wieder bereit neues anzugehen. Also liegt es an uns auch mal spontan unsere gut gemeinte Planung über den Haufen zu schmeißen und so mehr Ruhe für alle in den Tag zu bringen.

Ruhepausen:

In unserem Tagesablauf sollten immer wieder Zeiten eingeplant werden, in denen sich das Kind zurückziehen und, ohne große Reizeinwirkung, Erlebtes verarbeiten kann. Dies kann unterschiedlich lange dauern. Wir sollten, wenn es irgendwie möglich ist, dem Kind diese Zeit auch ermöglichen, um eine Überreizung zu vermeiden. 

Unsere Freizeit sollte auf gar keinen Fall in Stress ausarten.

 

Genau hinhören, genau hin spüren:

Unsere Kinder geben uns genaue Signale, wir müssen nur richtig hinhören. Auch das trifft auf alle Kinder aber insbesondere auf hochsensible zu. Kinder können ihre Bedürfnisse oft noch nicht über Worte ausdrücken, sie zeigen uns diese über ihr Handeln, Mimik und Gestik. Wir als Eltern sind die Experten für unsere Kinder. Wir erkennen meistens auf einen Blick, was mit ihnen los ist. Und darauf sollten wir unbedingt hören und dementsprechend handeln. D.h. eine Pause geben, das Kind aus einer Überforderungssituation herausnehmen, Kuschelzeit schenken etc. Achte darauf, was dein Kind dir zeigt, es will Dir damit etwas sagen!

Bedürfnisse ernst nehmen:

Wir sollten die Bedürfnisse unserer Kinder sehr ernst nehmen und diese respektieren, besonders wenn sie hochsensibel sind, denn sie haben eine etwas andere Reizverarbeitung und somit brauchen sie oft andere Dinge als andere. Werden diese Bedürfnisse übergangen kann das ernsthafte Folgen haben, direkte, wie Überreizung, emotionale Ausbrüche, Rückzug oder langfristige wie Schlafstörungen, ein schlechter Bezug zu eigenen Bedürfnissen oder eine übertriebene Anpassung.

Kinder haben noch einen guten Zugang zu sich selbst und können sich gut spüren. Auch wenn sie das oft nicht in Worte ausdrücken können, zeigen sie uns jedoch sehr genau, was sie brauchen und was sie überfordert. Wir müssen nur auf die Zeichen achten. (Müdigkeit, Erschöpfung, Mimik, Gestik, Überdrehen, Rückzug….)

Fühlen sich die Kinder ernst genommen, führt das automatisch zu mehr innerer Ruhe, denn sie wissen, dass ihnen ihre Bedürfnisse erfüllt werden, ohne dass sie viel Aufheben darum machen müssen.

Selbstverständlich ist es im Alltag oft schwer, all das umzusetzen. Das Wichtigste ist aber, dass wir uns bewusst machen, dass wir etwas verändern können, oft schon mit relativ kleinen Mitteln. Diese Bewusstmachung ist meistens schon der Anfang zur Veränderung. Und bitte setz Dich nicht unter Druck, Veränderung geschieht nicht über Nacht. Es ist ein Prozess und braucht seine Zeit. Also nicht verzagen, wenn nicht alles auf Anhieb funktioniert.

Und übrigens dies gilt auch genauso für unsere eigene Bedürfnisse. Gerade hochsensible Eltern sollten in sich hinein spüren und auch mit ihren eigenen Bedürfnisse achtsam umgehen.

 

Austausch und Informationen hierzu und zu vielen weiteren Themen rund um hochsensible Familien findest Du in meiner neuen Facebook-Gruppe: Hochsensibel und löwenstark  und auf meiner Facebook Seite . Ich freu mich schon, dich hier zu begrüßen.

Eine Antwort

  1. DANKE für diese Seite und die überaus wertvollen Beiträge!!!
    Ich bin sehr froh und dankbar mehr Infos zum Thema Hochsensibilität gefunden zu haben.

    Meine Tochter und ich sind beide hochsensible Scanner. Mittlerweile habe ich sowohl für mich als auch für sie erkannt, dass Entspannung sehr, sehr wichtig ist der Überreizung vorzubeugen. Da nun Scanner sehr neugierige Wesen sind und immer mehr erleben wollen. Will meine Tochter auch dann Input wenn sie eigentlich schon sehr müde ist. Wenn ich ihr mitteile wir gehen nach Hause ist sie richtig sauer und bockt zu Hause auch nur rum. Wenn wir was unternehmen, dann endet es im Wutausbruch, weil sie nicht den Absprung schafft. Wie schaffe ich hier den Spagatt zwischen dem Drang nach Input und andererseits der Gefahr der Reizüberflutung einerseits und andererseits wie schaffe es, dass sie Angebote zur Entspannung annimmt. Bislang sind die Versuche wie Vorlesen, Yoga, Geschichten usw. gescheitert.
    Wie schaffe ich es, dass sie mehr Bezug zu Ihren eigenen Bedürfnissen entwickelt.

    Denn ich merke auch, dass sie Input von außen braucht, nicht von sich aus Aktivitäten ansteuert und auch zu Hause Vorschläge braucht, wählt nicht mal zwischen zwei Alternativen.

    Danke für Deine Inspiration!

    Liebe Grüße
    Irina

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