Wenn ein hochsensibles Kind in die Schule kommt, stehen viele Eltern vor der Frage, ob und wie sie über die Hochsensibilität ihres Kindes mit dem Lehrer sprechen sollen.
Auf der einen Seite ist die Angst, dass ihr Kind nicht richtig wahrgenommen und vielleicht falsch eingeschätzt wird, ja ihm vielleicht sogar ADHS oder ähnliches unterstellt werden könnte. Auf der anderen Seite sind aber auch die Bedenken, ob das Kind dann nicht in eine Schublade gesteckt wird und von vornherein einen Stempel bekommt. Also was ist denn nun die richtige Lösung? Ich gebe dir hier einige Hilfestellungen.
Nichts überstürzen
Vielleicht war es für Dich eine große Erleichterung, über die Hochsensibilität Deines Kindes zu erfahren, und dieses Wissen erleichtert Dir den Umgang mit ihm/ihr enorm, und jetzt möchtest Du dieses Wissen gerne auch mit anderen teilen. Bedenke aber dabei, dass nicht jeder offen für dieses Thema ist. Nicht jeder kann etwas damit anfangen oder ist bereit dafür. Nicht selten wird Hochsensibilität als Esoterik oder Modeerscheinung gesehen. Man kann Menschen nichts aufzwingen, wenn sie nicht bereit dafür sind. Auch das solltest Du akzeptieren. Dann gibt es andere Wege, wie ihr trotzdem eine gute Zusammenarbeit gestalten kannst.
Was genau willst Du bewirken?
Wenn Du ein hochsensibles Kind hast, machst Du Dir vielleicht Sorgen, ob das Kind in den verschiedensten Situationen zurechtkommen wird. Man hört ja auch immer wieder, wie herausfordernd Schule für solche Kinder sein kann. Ja, und Eltern wollen die Kinder so gut wie möglich unterstützen und ihnen den Weg bereiten, damit sie es so leicht wie möglich haben.
Eine große Angst dabei ist es eben, dass das Kind nicht so gesehen wird, wie es ist und dann missverstanden wird.
Da liegt es nahe, dass man die Hochsensibilität erklären möchte, damit eben auch die Lehrer Hintergründe von so manchem Verhalten verstehen.
Die Frage ist nun aber eben auch, muss dazu das Thema Hochsensibilität ins Spiel kommen? Tut man dem Kind damit etwas Gutes?
Dabei ist erstmal wichtig, den aktuellen Stand der Dinge anzuschauen.
Sind denn bereits Probleme aufgetreten, die mit der Hochsensibilität in Zusammenhang stehen? Und: Würde die Aufklärung über Hochsensibilität etwas an der Situation verändern?
Oder lief es bisher (im Kindergarten) soweit gut, aber Du machst Dir nun Gedanken, ob Dein Kind in der Schule auch zurechtkommen wird?
Das sind zwei unterschiedliche Ausgangspunkte. Bei dem einen Fall gibt es konkrete Themen, bei dem anderen sind es erstmal eigene Bedenken und Sorgen.
Eins möchte ich hier ganz deutlich sagen, nur weil ein Kind hochsensibel ist, muss es nicht zwangsläufig auch Probleme in der Schule bekommen. Selbst wenn es im Kindergarten vielleicht nicht immer einfach war. Denn Kindergarten und Schule sind schwer zu vergleichen. Es gibt tatsächlich viele Kinder, die nach einer schwierigen Kindergartenzeit eine super Schulzeit haben. Denn hochsensible Kinder fühlen sich oft mit den klaren Strukturen und den kognitiven Anforderungen der Schule sehr wohl.
Deswegen ist es in so einem Fall vielleicht erstmal gar nicht nötig, die Hochsensibilität anzusprechen.
Leider ist es eben immer noch so, dass dies nicht immer auf Verständnis stößt und manche Menschen es als Modeerscheinung oder überbesorgte Eltern abtun.
Daher sollte ein Gespräch über Hochsensibilität wohlüberlegt sein.
Es kann trotzdem sinnvoll sein, die zukünftigen Lehrer kennenzulernen, um ein Gefühl für die Menschen und die Einrichtung zu bekommen. Das kann auch dem Kind viel Sicherheit geben. Dabei muss aber die Hochsensibilität nicht unbedingt eine Rolle spielen.
Wenn Du aber einen konkreten Verdacht hast, dass es etwas gibt, das dem Kind schwerfallen wird, wie etwa die Einschulung und der Übergang, kann es schon hilfreich sein, den Lehrer/die Lehrerin mit ins Boot zu holen, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.
So gibt es beispielsweise hochsensible Kinder, die sich mit Übergängen extrem schwertun und starke Trennungsängste haben. Bedauerlicherweise gibt es keine Eingewöhnung wie im Kindergarten und die Kinder sind somit vom ersten Tag an auf sich allein gestellt.
Wenn Dein Kind in einem solchen Fall starke Ängste hat, wäre es sicherlich nicht verkehrt, dies anzusprechen und zu schauen, welche Möglichkeiten es gibt, wie man dieses Kind unterstützen kann.
Wie Du so ein Gespräch am besten führst, erfährst Du weiter unten.
Ein weiterer Grund, um die Hochsensibilität anzusprechen, kann sein, dass Du ein bestimmtes Verhalten Deines Kindes erklären möchtest. Wie z.B. dass Dein Kind oft abwesend und verträumt wirkt. Dies kann für Lehrer oft schwer erklärbar sein. Mit dem Hintergrund, der sensiblen Wahrnehmung und der tiefen Verarbeitung von Reizen und Emotionen, kann dies verständlicher sein. Her würde es auf jeden Fall Sinn machen, dies anzusprechen. Es kann jedoch auch erstmal umschrieben werden. Dazu gleich noch mehr.
Konkret bedeutet das:
- Entscheide je nach Situation, versuche auch auf Dein Gefühl zu hören. Wäge aber auch Vor- und Nachteile ab.
- Was genau willst Du erreichen? Willst Du nur über Hochsensibilität informieren, oder gibt es ein bestimmtes Thema, über das Du sprechen willst? (z.B. Übergang von Kindergarten in die Schule)
- Gab es im Vorfeld schon konkrete Herausforderungen/ Probleme?
- Möchtest Du ein bestimmtes Verhalten erklären?
- Auch wenn es im Kindergarten schwierig war, kann es in der Schule gut laufen
Wenn Du Dich dafür entscheidest
Sicherlich gibt es Situationen, in denen es Sinn macht, das Gespräch zu suchen und über die besondere Wahrnehmung des Kindes zu sprechen.
Vor allem dann, wenn schon Schwierigkeiten aufgetreten sind, die mit der Hochsensibilität in Zusammenhang stehen. Jedoch sollte ein solches Gespräch gut vorbereitet und wohlüberlegt sein, was genau Du ansprechen möchtest.
Um so klarer Du bist, um so besser wird das Gespräch verlaufen.
Deswegen ist es wichtig, dass Du Dein Kind und seine besondere Wahrnehmung gut kennst und ihr im Idealfall auch schon Strategien entwickeln konntest, die euch helfen, damit klarzukommen.
Lade dir dazu meine umfangreichen Selbsteinschätzungsbögen herunter.
Vielleicht habt ihr da schon ganz konkrete Strategien, Methoden und Übungen für euch gefunden.
In meinem Übungsbuch findest Du viele gute Anregungen dazu.
Denn diese Dinge lassen sich meistens auch in den Schulalltag übertragen bzw. anpassen.
Die meisten LehrerInnen wollen die Kinder unterstützen, finden für manche Situationen aber auch keine passende Lösungen, und so sind sie oft dankbar, wenn Eltern hier Anregungen geben und sie so gemeinsame Unterstützungsmöglichkeiten für den Schulalltag finden können.
Wichtig dabei ist es, dass Du Dir einen genauen Plan machst, was Du ansprechen willst und was Du erreichen möchtest.
Um so klarer Du bist, desto produktiver wird so ein Gespräch verlaufen. Nimm Dir auch nicht zu viele Themen auf einmal vor, sonst wird es schnell zu unübersichtlich. Beschränke dich auf ein Thema pro Gespräch und gehe hier lieber in die Tiefe und vor allem versuche in Verbindung mit dem Lehrer/der Lehrerin zu sein. Dies geht am besten über eine persönliche Komponente und wahrem Interesse am Gegenüber. Schaffe einen guten Rahmen für eine gute Gesprächsbasis.
Mach dir im Vorfeld am besten Notizen dazu, sodass Du im Gespräch auch ganz klar bist. Am besten nennst Du schon bei der Terminvereinbarung das grobe Thema, dass du besprechen möchtest, damit der Lehrer/ die Lehrerin auch die Möglichkeit hat, sich vorzubereiten.
Wie sprichst Du die Hochsensibilität nun ganz konkret an?
Wie schon gesagt, ist das Thema Hochsensibilität leider noch oft etwas negativ belastet, deswegen kann es Sinn machen, sich erstmal langsam vorzutasten. Du musst nicht gleich den Begriff nutzen, beschreibe Dein Kind am besten erstmal etwas.
“Mein Kind nimmt in diesem oder jenen Bereich sehr sensibel wahr”
“Auf diese und jene Reize reagiert es sehr stark, dadurch fällt es ihm manchmal schwer, sich zu konzentrieren.”
“Mein Kind nimmt sich Ungerechtigkeiten sehr zu Herzen, denkt dann viel darüber nach und wirkt deswegen abwesend.”
Du siehst dann sehr schnell die Reaktion Deines Gegenübers und kannst dann dementsprechend fortfahren.
Du kannst auch weiter umschreiben und in die Tiefe gehen, ohne den Begriff zu nutzen.
Hast Du aber das Gefühl, dass auf der Seite Deines Gesprächspartners Interesse geweckt wurde, kannst Du auch irgendwann den Begriff fallen lassen.
Es gibt auch viele LehrerInnen, die ernsthaftes Interesse an der Thematik haben und sich gerne darüber informieren wollen.
Ich unterstütze in solchen Fällen auch mit Eltern-Lehrer-Coachings, um Informationen weiterzugeben und gemeinsame Strategien zu erarbeiten. Manchmal kann es sinnvoll sein, Unterstützung von außen zu haben.
Beziehe Dein Kind mit ein:
Einen Punkt möchte ich hier auch noch anbringen:
Vergiss nicht, Dein Kind einzubeziehen. Ist es für Dein Kind okay, wenn Du mit dem Lehrer darüber sprichst? Vor allem für ältere Kinder ist das oft sehr wichtig, denn sie wollen ihr besonderes Wesen nicht immer zum Thema machen. Auch das solltest Du akzeptieren. Dann kannst Du mit Deinem Kind gemeinsam schauen, was es noch für Lösungsmöglichkeiten gibt, wenn es ein konkretes Problem auftritt.
Manchmal stellt sich die Situation für Eltern auch schlimmer dar als für die Kinder. Dann kann es passieren, dass sie übers Ziel hinausschießen, weil sie ihre Kinder unbedingt beschützen wollen, obwohl es vielleicht gar nicht nötig ist.
Zusammengefasst:
- Überlege Dir im Vorfeld gut, was Du erreichen willst, und was hilfreich für Dein Kind sein könnte.
- Wäge ab, ob es wirklich förderlich ist oder doch kontraproduktiv.
- Mache Dir einen konkreten Plan für das Gespräch und sprich nicht zu viel auf einmal an.
- Mach Dir ein klares Bild von Deinem Kind und seiner Hochsensibilität. Überlege Dir konkrete Lösungsansätze.
- Gehe Kompromisse ein und findet gemeinsam mit den LehrerInnen Unterstützungsmöglichkeiten, die auch in der Schule anwendbar sind.
- Beziehe Dein Kind mit ein und mache nichts über seinen/ihren Kopf hinweg.
- Taste Dich langsam vor und umschreibe erstmal. Schaue dann, wie Dein Gegenüber reagiert.
- Gib bei Interesse Infomaterial weiter.