Mein Kind ist hochsensibel – was nun?

Meistens spüren Eltern eines hochsensiblen Kindes schon früh, dass ihr Kind irgendwie anders ist. Nicht selten ist es ein recht langer Weg bis sie auf das Thema Hochsensibilität stoßen und ihr Kind darin genau wiedererkennen. Für viele ist es ein wahres AHA-Erlebnis da sich dann so viel erklärt. Doch oft kommen dann die nächsten Fragen auf: Was können wir nun weiter tun? Brauche ich eine Diagnose-Stellung eines Arztes? Wie kann ich mein Kind unterstützen? Hier möchte ich Dir ein paar Antworten dazu geben.

 

Wie erkenne ich sicher, dass mein Kind wirklich hochsensibel ist?

Oft höre oder lese ich von Eltern, die sagen, sie hätten jetzt schon ein wenig über das Thema gelesen und einige Punkte würden genau auf ihr Kind zutreffen aber andere wiederum gar nicht. Das verunsichert sie dann sehr oft, da sie nicht wissen, ob ihr Kind nun wirklich hochsensibel ist oder nicht. Dazu muss ich sagen, dass jedes Kind, jeder Mensch anders ist, ein Individuum. Kein Mensch gleicht dem anderen und so ist es auch mit der Hochsensibilität. Auch hier gibt es ganz verschiedene Abstufungen und Facetten. Manche sind nur in einem bereich hochsensibel, sie reagieren z.B. extrem auf Geräusche oder Gerüche. Andere wiederum sind eher hochsensitiv und nehmen Stimmungen und Gefühle von sich und ihrer Umwelt besonders intensiv wahr. Wieder andere sind auf mehreren Ebenen sehr empfänglich. Die Bandbreite ist wirklich sehr breit gefächert und somit gibt es nicht den klassischen hochsensiblen Menschen bzw. Kind.

Eine etwas ausführlichere Erklärung hierfür kannst Du in diesem Artikel von mir lesen.

Dabei kann es auch sein, dass auf dein Kind z.B. nur ein Bereich zutrifft, dafür aber sehr intensiv. Deswegen kann es trotzdem hochsensibel sein. Versuch da auch ein wenig auf dein Bauchgefühl zu hören und spüre in dich hinein, ob sich das Thema für dich schlüssig anfühlt und Du dein Kind in der Beschreibung wieder findest. Es gibt ja auch noch sehr viele weitere sehr ausführliche Fragebögen und auch Bücher zu diesem Thema. Ein paar habe ich hier für Dich zusammengestellt.

Brauche ich eine Diagnose Stellung?

Dies ist eine weitere Frage, die ich oft höre. Dazu sei erst einmal gesagt, dass Hochsensibilität keine Krankheit ist und somit auch nicht diagnostiziert werden kann. Es ist ein Wesenszug, den ca. 15-20 Prozent aller Menschen besitzen.

Ich möchte hier niemanden davon abhalten, sich professionelle Hilfe zu suchen. In einigen Fällen ist das sicherlich sehr wichtig und empfehlenswert. Ich möchte nur, dass mit diesem Thema sensibel umgegangen wird. Nur weil ein Kind anders ist, heißt das nicht, dass es therapiert werden muss. Leider gibt es auch unter den Fachleuten genug, die das Thema Hochsensibilität gar nicht kennen oder nur belächeln. Man kann sich leicht vorstellen, wie diese auf ein Kind reagieren, bei dem die Eltern den Verdacht Hochsensibilität äußern. Oft werden diese Familien nicht ernst genommen, es heißt, das wird schon oder es wird irgendeine Diagnose gestellt, die dem Kind nicht gerecht wird.

Der andere Aspekt hierbei ist, dass es für manche Kinder auch kontraproduktiv sein kann, wenn es wegen seiner Andersartigkeit zum Arzt oder Psychologen gehen soll. Viele feinfühlende Kinder spüren schon selbst, dass sie irgendwie anders sind. Wenn sie dann deswegen auch noch von Fachleuten untersucht wird, können sie auch schnell das Gefühl bekommen, dass mit ihnen wirklich etwas nicht in Ordnung ist und sie bekommen eine schlechtes Verhältnis zu ihrem Wesenszug. Das wiederum kann Einfluss auf ihr Selbstwertgefühl haben, der sowieso oft schon relativ schlecht ausgebildet ist.

Aber wie gesagt, oft ist professionelle Hilfe auch angebracht. Gerade wenn Kinder sehr auffällig sind in ihrem Verhalten und wirklich auch große Probleme in ihrem Alltag haben. Teilweise ist es auch so, dass andere Diagnosen abgeklärt werden müssen. Gerade ADHS (hierzu kannst Du hier weiter lesen), bestimmte Formen des autistischen Spektrums oder auch ein traumatisches Erlebnis können unter Umständen ähnliche Anzeichen wie die Hochsensibilität haben. Bei Verdacht auf eine dieser Erkrankungen würde ich definitiv zu einem Arzt- bzw. Psychologenbesuch raten. Jedoch ist die Wahl des richtigen Behandlers auch recht wichtig. Der Therapeut sollte auf jeden Fall auch etwas von Hochsensibilität wissen und dieses Thema auch ernst nehmen, damit er dies in seiner Diagnostik mit einfließen lassen kann.

Also auch hier gilt es, auf dein Gefühl zu hören. Du kennst dein Kind am besten und weißt, was gut und hilfreich für es ist. Noch dazu sei gesagt, dass Du jeder Zeit ein Recht auf eine Zweitmeinung hast. Wenn Du das Gefühl hast, der Behandler nimmt dein Kind nicht richtig wahr, dann suche dir einen anderen Spezialisten. Es gibt hier einfach sehr viele Unterschiede und Du darfst deinen Arzt frei wählen. Vielleicht gibt es ja auch Menschen in deiner Umgebung, die schon Erfahrungen damit gemacht haben und die dir jemanden empfehlen können. In den meisten größeren Städten gibt es auch Gruppen, von “Betroffenen” die sich zu regelmäßigem Austausch treffen, dort könntest Du auch Unterstützung bekommen. Dies kannst Du meistens über Google oder bei Facebook herausfinden.

Wie kann ich meinem Kind nun konkret helfen?

Zuerst einmal: Gerate nicht in Panik. Hochsensibilität ist nichts Negatives und schon gar kein Fluch. Sie kann sogar ein wahrer Segen sein, wenn man lernt sie als etwas Positives anzunehmen. Man kann mit dieser tollen Gabe ganz wunderbar leben und sogar lernen, sie für sich zu nutzen. Das Wichtigste ist, dass Du nun von dem Thema weißt und dich damit auseinander setzen kannst. Es ist noch kein Profi vom Himmel gefallen und es muss nicht alles auf Anhieb perfekt klappen. Das Thema ist noch neu für dich und Du musst dich damit nun auch erst einmal beschäftigen.

Du wirst nun lernen, dein Kind und sein Verhalten aus einem ganz anderen Blickwinkeln zu sehen. Allein das, lässt dich dann vieles verstehen und Du wirst ganz anders auf dein Kind eingehen können. Da, wie schon gesagt, jedes Kind anders ist und ganz andere Bedürfnisse hat, kann ich dir hier keine Schritt-für-Schritt-Anleitung geben, wie du nun handeln solltest. Du musst selbst zum Experten werden. Setz dich mit dem Thema auseinander, versuch ein Gespür für dein Kind zu entwickeln, beobachte, probier aus, nimm an.

Die Grundlage ist Verständnis. Wenn du verstehen kannst, wie dein Kind die Welt wahrnimmt, kannst Du auch sein Verhalten besser verstehen und darauf eingehen. Du kannst lernen, was ihm gut tut und was nicht. Dazu gehört auch, dass Du dein Kind beobachtest und, je nach Alter, auch mit ihm in den Austausch gehst. Feinfühlige Kinder können sich oft sehr gut ausdrücken, so kannst Du viel von ihm und seinen Gefühlen und Wahrnehmungen erfahren.

Man muss auch immer wieder Dinge ausprobieren. Was geht, was tut gut, was nicht. Manche Dinge können funktionieren, manchen vielleicht nicht. Sei mutig, veränder Dinge und schau, was passiert.  Dies kann z.B. bedeuten, dass Du den ganzen Tagesablauf umstrukturierst, damit dein Kind mehr Ruhepausen bekommt. Oder Du darauf achtest, dass ihr zu laute Situationen wie einen Rummelbesuch oder einen Stadtbummel unter vielen Menschen vermeidest, da dies für dein Kind nur Stress bedeutet. Die Möglichkeiten sind da ganz unterschiedlich und hängen natürlich von den Bedürfnissen deines Kindes ab.

Das aller Wichtigste ist aber, dass Du dein Kind so annimmst, wie es ist. Wenn Du dich mit dem Thema auseinandersetzt, wirst Du auch verstehen, dass dein Kind sich nicht “anstellt” oder irgendein Defizit hat. Es ist wunderbar, so wie es ist. Und dieses Gefühl solltest Du deinem Kind auch vermitteln. Denn für ein hochsensibles Kind, ist es selbst oft nicht leicht, sich in dieser Welt zu recht zu finden. Wenn Du es annimmst, ihm zeigst, dass du immer hinter ihm stehst und es an der Hand nimmst und begleitest und unterstützt, wird es ein gutes Selbstwertgefühl entwickeln, kann sein ganzes Potential entfalten und zu einer starken Persönlichkeit heranwachsen.

Was bedeutet das für unser weiteres Leben?

Wie bereits gesagt, lässt sich mit der Hochsensibilität sehr gut leben. Und umso früher man, erkennt, dass ein Kind diese Feinfühligkeit besitzt, um so besser kann es auch lernen damit umzugehen. Wichtig dafür ist es eben, Bedingungen zu schaffen, in dem das Kind sich wohlfühlt. Wir leben leider in einer Welt, die nicht unbedingt die idealen Bedingungen für hochsensitive Menschen bietet. Unsere Umwelt ist meistens recht laut und schnell und es herrscht oft enormer Leistungsdruck. Man kann aber trotzdem Bedingungen schaffen, in denen das Kind und später der Erwachsene gut zu recht kommt. Wichtig ist es vor allem, dass das Kind auch lernt, seine Bedürfnisse wahrzunehmen. So haben feinfühlige Menschen meistens mehr Bedarf an Ruhepausen, um all die wahrgenommenen Eindrücke zu verarbeiten. Auch ein relativ gut strukturierter Alltag kann hilfreich sein. Es wird auch Dinge geben, die vielleicht vermieden werden müssen, wie Großveranstaltungen mit vielen Menschen, Abenteuerurlaube, vollgestopfte Tage…Aber wenn man das weiß, lässt sich damit gut umgehen und das Leben darauf einrichten.

Kindergarten und Schule sind auch oft ein großes Thema für die Kinder. Es kann sein, dass hochsensible Kinder Probleme im Kindergarten haben, da sie hier oft sehr überreizt sind von den vielen Eindrücken, den vielen Kindern und fremden Bezugspersonen. Es gibt Kinder, die mit einer guten Begleitung, Unterstützung und der richtigen Wahl der Einrichtung trotzdem gut dort klar kommen (siehe auch meinen Artikel hier). Andere wiederum werden trotzdem  Probleme damit haben und können evtl. erst mit 4-5 Jahren in den Kindergarten gehen, nur stundenweise oder brauchen eine spezielle Einrichtung (Montessori, Waldorf, integrativ, auch hier gibt es verschiedene Modelle). Wichtig ist, dass Du dein Kind hierbei gut unterstützt und ihr zusammen eine gute Entscheidung trefft, was möglich ist und was nicht.

Auch das Thema Schule kann unter Umständen schwierig sein. Zwar sind hochsensible Kinder nicht selten auch sehr intelligent oder sogar hochbegabt, trotzdem tun sie sich in der Schule oft schwer. Große Klassen mit vielen Reizen, permanenter Leistungsdruck und starre Bildungspläne sind für feinfühlige Kinder oft nur schwer zu ertragen. Jedoch besteht in Deutschland eine Schulpflicht und so müssen diese Kinder auch zur Schule gehen. Aber auch hierfür gibt es Möglichkeiten, den Schulalltag so zu gestalten, dass die Kinder damit zu recht finden können.

Dies fängt mit der richtigen Schulwahl an. Oft sind kleinere Schulen mit kleineren Klassen von Vorteil. Auch alternative Schulsysteme können hilfreich sein. In Deutschland gibt es eine Vielzahl davon. Wie z.B. freie Schulen, Montessori, Waldorf etc. Es ist hilfreich zu schauen, was es in deiner Nähe gibt und sich diese Schulen dann auch ganz genau anzusehen.

Auch ist es ganz besonders wichtig in einem guten Austausch mit den Lehrern zu sein und mit diesen auch das Thema Hochsensibilität zu besprechen. Oft sind die Lehrer sehr dankbar für Input zu diesem Thema, so dass sie diese Kinder besser verstehen können. Kleine Veränderungen, wie einen Sitzplatz weiter vorne oder Gehörschutz kann schon sehr viel helfen. Auch eine ruhige Alltagsgestaltung nach der Schule kann unterstützen.

Zu diesem Thema werde ich noch einen extra Artikel schreiben. Mir ist an dieser Stelle  wichtig zu sagen, dass hochsensible Kinder unter den richtigen Bedingungen auch sehr gut in der Schule zurecht kommen können.

Prinzipiell können hochsensible Menschen auch in allen Bereichen  ein ganz normales Leben führen. Wichtig ist es einfach nur zu wissen, dass die Bedürfnisse oft ein wenig anders sind, als bei dem Großteil der Menschen. Kennt man diese aber und richtet sich sein Leben danach ein, können feinfühlige Menschen ein sehr entspanntes, glückliches und erfülltes Leben haben.

Wo bekommen ich selbst Unterstützung?

Ich finde es besonders wichtig auch in den Austausch mit anderen “Betroffenen” zu gehen. Hierfür gibt es, wie schon erwähnt, einige Möglichkeiten. Seien es Facebook-Gruppen oder Gruppen, die sich auch im realen Leben treffen. Dies lässt sich oft über Google herausfinden.

Auch ist es interessant, wie viele Menschen oft im eigenen Umfeld mit diesem Thema zu tun haben, da sie selbst hochsensibel sind oder jemanden feinfühligen in der Familie haben. Es wird nur oft nicht darüber gesprochen. Ich finde jede Art von Austausch sehr hilfreich.

Leider gibt es in Deutschland noch keine konkrete Anlaufstelle für hochsensible Menschen. Jedoch kennen sich viele Familienberatungsstellen mit diesem Thema schon recht gut aus. Du kannst in deiner Stadt eine Beratungsstelle aufsuchen und dich erkundigen, ob diese bei dem Thema Hochsensibilität weiter helfen können. Ich kenne viele Familien, die hier schon Hilfe bekommen haben.

Auch gibt es Psychologen, Heilpraktiker und Kinderärzte, die sich mit dem Thema beschäftigen. Es lohnt sich hier einfach mal nachzufragen.

Die beiden lieben Veranstalter Lena und Camilo des Hochsesnibilitätskogresses, die mit ihrer wertvollen Arbeit das Thema auch noch weiter verbreiten, haben auch schon eine Liste zusammengestellt, mit vielen guten Therapeuten darauf.

Hochsensibilitätskongress

hochsensibel.org

Plattformen im Internet sind z.B. diese hier. Wobei es auch noch viele weitere gibt.

Du siehst, es gibt keinen Grund zur Panik, wenn du bemerkst, dass dein Kind hochsensibel ist. Ganz im Gegenteil, es ist sogar ein Segen, denn es wird dich sicher vieles erklären und für die Zukunft einfacher machen, da Du dein Kind immer besser verstehen lernen wirst.

Hochsensibilität ist ein so wunderbares, vielschichtiges und interessantes Thema. Ich bin mir sicher, du wirst viele Antworten finden, wenn Du beginnst, dich mit diesem Thema auseinander zu setzen.

Ich wünsch Dir viel Erfolg und Freude auf deinem Weg, zusammen mit deinem Kind und deiner Familie das Thema Hochsensibilität zu erforschen und in deinen Alltag zu integrieren!

Austausch und Informationen hierzu und zu vielen weiteren Themen rund um hochsensible Familien findest Du in meiner neuen Telegram-Gruppe

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